Fassadenbeleuchtung bei Wohngebäuden

Fassadenbeleuchtung für Wohngebäude: sinnvoll oder Ärgernis?

Die Studie wurde im Auftrag der City Beautificaton Organisation der Stadt Teheran von Elham Souri und Atefeh Mojtabazadeh durchgeführt.

Die Wohnhausfassade –
 ein Teil des Ganzen
Als die Außenfläche einer Stadt interagiert das Stadtbild laufend mit den Einwohnern und Besuchern und hat eine erhebliche Auswirkung auf ihr Bewusstsein, ihre Emotionen und ihr Verhalten. Mit anderen Worten ist das Stadtbild ein Medium, das auch die nicht physischen Aspekte einer Stadt darstellt, wie Religion, Geschichte, Kultur und sogar wirtschaftliche und politische Eigenschaften. In Anbetracht der Bedeutung des Stadtbilds in Zeiten der Globalisierung spielt die Planung und Verwaltung der Stadtlandschaft eine zentrale Rolle.

Städte mit gelungenen Stadtlandschaften bleiben eher in Erinnerung: das einzigartige, spezifische Stadtbild steigert das ästhetische Erlebnis sowohl der Touristen als auch der Einheimischen. Zudem kann ein gelungenes Stadtbild die Wettbewerbsvorteile der Stadt gegenüber der Konkurrenz im In- und Ausland aufwerten. Ökonomische und gesellschaftliche Nebenwirkungen können die Konsequenz sein.

Das Stadtbild bezieht sich natürlich nicht nur auf die Tageszeit. Das nächtliche Stadtbild ist genauso wichtig. Freizeitaktivitäten nach einem langen Arbeitstag können vielfältig ausfallen. Demzufolge ist es wichtig, dass über das Stadtbild kritisch diskutiert und debattiert wird. Sofern keine umfassende Stadtplanung, kein Licht-Masterplan beziehungsweise ausführliche Richtlinien vorhanden sind, besteht die Gefahr, dass das nächtliche Stadtbild zum reinen Chaos wird. Je nach Geschmack der einzelnen Hauseigentümer oder Planer entstehen ein Vielfalt von zum Teil gewagten Beleuchtungsprojekten. Unsere Wahrnehmung einer Stadtlandschaft beruht laut psychologischen

Prinzipien auf der so genannten Gestalttheorie: Der Mensch versucht psychologische und soziologische Phänomena besser zu verstehen, indem er sie als organisierter und strukturierter Ganzes und nicht als die Summe aller Bestandteile betrachtet. Daher macht es Sinn, dass der Schwerpunkt der Studie einer Stadtlandschaft oder nächtliche Stadtlandschaft auf einer Untersuchung der Gesamtsituation liegen soll. Letztendlich bedeutet das,

dass die Städtepolitik zum wichtigsten Instrument zur Kontrolle, Einschränkung und Leitung der Stadtplanung sowie der Lichtplanung
im öffentlichen Raum ist, um ein harmonisches Ergebnis zu erzielen.

Als eine der wesentlichen Komponenten der Stadtlandschaft spielen Gebäudefassaden eine zentrale Rolle in der Stadtkulisse und im Erscheinungsbild der Stadt per se. Heutzutage hat das städtische

Nachtleben einen anerkannten Wert. Durch die Schaffung von spannenden und lebenswerten öffentlichen Räumen nach Einbruch der Dunkelheit ist ein 24-Stunden- Stadtkonzept entstanden, was wiederum dank vielfältigen Initiativen und Projekten zur Revitalisierung von Städten und zur Entwicklung sicherer Stadträume beiträgt. Im praktischen Sinne war die Weiterentwicklung des Konzepts des öffentlichen Raums bei Nacht jedoch nicht so erfolgreich wie erwartet. Moderne nächtliche Stadtbilder sehen zum Teil einfach chaotisch aus und solche Stadtkulissen bringen nichts als Störung und Ärger für die Bewohner. Trotz der hervorragenden Lichtdesignprojekte welche an bestimmten Gebäuden oder Strukturen realisiert werden, steht das Stadtbild in der Gesamtheit nicht für eine harmonische Wechselbeziehung zwischen

den verschiedenen Elementen im städtischen Raum bei Nacht.

In letzter Zeit ist die Tendenz in Teheran, die Fassaden von Wohngebäuden mit LED zu illuminieren. Fachleute behaupten, dass der Hauptgrund für die Beleuchtung von Wohnhäusern ist, um die optische Qualität oder die architektonischen Details eines Gebäudes zu akzentuieren und neben einer Erhöhung des Sicherheitsgefühls auch um Hauspreise zu steigern. Aber dies wird häufig ohne Rücksicht auf die Konsequenzen für das daraus entstehende nächtliche Stadtbild ausgeführt. Außerdem wird es immer attraktiver für Eigenheimerwerber, wenn das Wohnhaus "nett" beleuchtet ist.

Mit zunehmender Nachfrage in diesem Sinne wird es immer schwieriger, ein ausgeglichenes nächtliches Stadtbild zu erzielen. Aus anderem Blickwinkel betrachtet: Soweit kein Masterplan oder besondere Richtlinien für die Fassadenbeleuchtung vorliegen, kann die Stadt Teheran durch zu viel Augenmerk auf das Lichtdesign auch den Privatsektor noch mehr motivieren, sich für die Fassadenbeleuchtung – sogar für Wohngebäude – zu begeistern.

Festlegung der Kriterien für die Beleuchtung von Wohngebäude Aufgrund fehlender Detailkenntnisse bezüglich der für die

Beleuchtung von Wohngebäuden notwendigen Kriterien entschieden sich die Forscher für die Delphi- Theorie sowie für eine Auswertung der einschlägigen Literatur, um ihrer Studie nachzugehen.

Diese Methodik ist eine weithin genutzte und anerkannte Möglichkeit für die Sammlung von Daten von Befragten im Rahmen ihrer jeweiligen Fachkompetenz. Es handelt sich um einen Kommunikationsprozess in einer Gruppe und verfolgt das Ziel, eine Einigung zu einem echten Problem zu erreichen. Die Panelisten in den drei Delphi- Runden bestanden aus drei Lichtdesignspezialisten und drei professionellen Stadtplanern. Die Daten für jede Delphi-Runde wurden generiert und analysiert. Das Material wurde in einem Antwortformat zusammengestellt und mit allen Panelisten in Vorbereitung auf die nächste Runde geteilt.

Die Ergebnisse zeigten, dass es mehrere Faktoren gibt, welche eine bedeutende Rolle bei der Akzeptanz der Fassadenbeleuchtung an einem Wohngebäude spielen.

Dazu gehören:

1. Kontextualismus

Dies setzt sich mit der Frage auseinander, inwiefern sich die Beleuchtung eines Gebäudes mit der von den umliegenden Gebäuden und vom städtischen Raum anpasst. Um es genauer auszudrücken, kann die Betrachtungszeit die Auswertung eines Lichtdesigns beeinflussen: Wenn ein Gebäude so steht, dass es länger als andere Gebäude sichtbar bleibt, könnte das Licht so gestaltet werden, um mehr Details zu akzentuieren. Sonst sollte die Beleuchtung eingeschränkt oder reduziert werden. Zudem wird das Lichtkonzept von der Qualität des umgebenden Stadtraums. Wohngebäude, die sich in Einkaufsstraßen befinden, erhalten bei der Fassadenbeleuchtung mehr Freiräume als Wohnhäuser in ruhigen Straßen und Wohnanlagen, bei denen die Beleuchtung eher zurückhaltend sein sollte. Zu guter Letzt: Die Hintergrundhelligkeit im Umfeld des Wohngebäudestandorts muss auch berücksichtigt werden. In dunklen Umgebungen sind niedrigere Beleuchtungsstärken erforderlich. Ein freistehendes Gebäude mit einem dunklen Nachthimmel als Kulisse benötigt wesentlich weniger Licht als eine Fassade in einer hell beleuchteten Straße.

2. Harmonisieren
mit der Architektur

Die Form und architektonische Gestaltung eines Gebäudes – einschließlich Größe, Baumaterialien und Alter der Fassade – können das Lichtdesign unterschiedlich beeinflussen.

Aus Energiespargründen und um Umweltverschmutzung zu bekämpfen, müsste sich das Lichtdesign an die Dimensionen der Fassade anpassen. Davon abgesehen ist es dringend erforderlich, dass großformatige Fassaden mit Sorgfalt und unter Berücksichtigung der wesentlichen Merkmale der Architektur beleuchtet werden müssen.

Unabhängig davon, ob das Gebäude historisch oder modern ist, sind die verwendeten Baumaterialien und der Baustil weitere wichtige Designelemente, welche bei der Lichtplanung berücksichtigt werden müssen. Es wird häufig erwartet, dass das Lichtdesign für moderne Bauten flexibel und kreativ konzipiert werden soll, während klassische Architektur eher subtil und häufig auch symmetrisch illuminiert werden.

Die Entscheidungskriterien bei der Definierung der Leuchten und der genauen Lichtanwendungen sind auf jeden Fall die Form und der Stil der Architektur. Farbtemperatur, Farbwiedergabe, Lichtstärkeverteilung, Größe des Leuchtmittels/der Leuchte sowie die Leuchtenanordnung tragen alle dazu bei, die formale Identität und den Charakter des Gebäudes zu unterstreichen.

3. Harmonisieren mit dem Charakter des Wohngebäudes

Bewusst gestaltetes Licht kann die Nutzung oder die Aktivitäten in einem Gebäude andeuten oder darstellen. Unsere Präferenzen und

 

Erwartungen an die Beleuchtung für ein Einkaufszentrum oder ein religiöses Bauwerk können sich erheblich unterscheiden. Demzufolge ersucht ein Wohngebäude durch Licht das Gefühl von Ruhe, Sicherheit, Würde, Vertrautheit und Behaglichkeit auszudrücken.

4. Lichtverschmutzung
und Blendung


Der Begriff Lichtverschmutzung bezeichnet verschwendetes Licht oder Streulicht, das für Nutzer öffentlicher Räume und Anwohner im direkten Umfeld sowie für Flora und Fauna störend ist. Fassadenbeleuchtung kann aus verschiedenen Gründen zur Blendung oder Lichtverschmutzung führen. Falsch fokussierte Leuchten oder eine ungeeignete Leuchtenanordnung, überbeleuchtete Fassaden und das von der Fassade reflektierte Licht sind nur einige Beispiele dafür.

5. Instandsetzung
und Reparatur


Auch wenn alle Leuchten und Lampen gegen wechselnde klimatische Bedingungen widerstandsfähig sein müssten, sollen sie aber auch immer zwecks Instandhaltung und Reparatur zugänglich sein. Leuchten müssen regelmäßig gereinigt und Lampen ersetzt, um die zugesagten Wirkungsgrade einhalten zu können.

 

Eine eingehendere Studie
der Beleuchtung von Wohngebäuden in Teheran

Dank der steigenden Nachfrage nach Fassadenbeleuchtung für Wohngebäude ist die Anzahl der Wohnhäuser mit illuminierten Fassaden in den letzten Jahren stark gewachsen. Der abschließende Teil der Forschungsstudie beschäftigt sich mit der Sammlung von Daten zum Stand der Beleuchtung von Wohngebäuden in Teheran. Eine Stichprobe bestehend aus 38 Fallstudien wurde untersucht und analysiert. Zunächst wurden mittels einer LMK-Kamera (zur Erfassung von Leuchtdichtemessdaten) Fotos der ausgesuchten Gebäude bei Nacht gemacht. Es wurde aber nicht nur die Leuchtdichte der Wohngebäude analysiert. Weitere Aspekte des Lichtdesigns wurden ebenfalls anhand der genannten Kriterien evaluiert.

Die Forschungsergebnisse zeigten sowohl die Vorteile als auch die Nachteile der beleuchteten Wohnhausfassaden. Trotz der vielen Vorzüge der Beleuchtungen wie das erhöhte Sicherheits- und Zugehörigkeitsgefühl ergaben sich etliche unvermeidbare negative Aspekte, die angegangen werden müssen. Die Ergebnisse belegten, dass das Hauptproblem bei der Fassadenbeleuchtung von Wohngebäuden die Lichtverschmutzung und Blendung sei. Auch wenn internationale  Normen eine empfohlene Leuchtdichte für die Fassadenbeleuchtung von 100 bis 150 Lux angeben, zeigte die Datenanalyse eine durchschnittliche Leuchtdichte der analysierten Fallstudien von mehr als 500 Lux. Zudem verursachte die Überbeleuchtung sowie die schlechte oder mangelnde Fokussierung der Leuchten Streulicht in Gebäude in unmittelbarer Nähe, was höchst störend für die Bewohner ist.

Defekte Leuchten wurden auf vielen Fassaden entdeckt. Der Grund dafür, warum das so oft vorkam, lag bei der Unzugänglichkeit bestimmter Lichtquellen und Leuchten. Das Zusammenspiel mehrerer Faktoren, darunter auch die Verwendung unterschiedlicher Lichttechniken, farbiges Licht und die fehlende Kohärenz zwischen der Beleuchtung und der Form oder Gestaltung der Fassaden, sind  die Erklärung dafür, warum die bestehende Fassadenbeleuchtung so wenig mit der Fassadenarchitektur harmoniert.

Die eingehende Studie zeigte außerdem, dass nur wenige Gebäude (sieben der 38) im Einklang mit der umgebenden Stadtlandschaft waren. Die restlichen 31 passten sich kaum in die unmittelbare Umgebung ein. Schlussfolgernd kann man sagen: Auch wenn die Beleuchtung von Wohnhausfassaden einige Vorteile mit sich bringt, bleibt die derzeitige Lage in Ermangelung von klar definierten Richtlinien und Lichtleitlinien beunruhigend und könnte in der Tat eine ernsthafte Bedrohung für die Stadtlandschaft sowie für die Umwelt darstellen. In anderen Ländern der Welt sind alternative Lösungen entwickelt worden, um Wohngebäude subtiler zu identifizieren und unterstreichen. In einigen Fällen wird die Außenfassade durch die Innenraumbeleuchtung definiert. Oder es werden wesentlich weniger Leuchten verwendet und diese dann mit Sorgfalt und in Maßen eingesetzt. In vielen Fällen ist die professionell geplante öffentliche Beleuchtung ausreichend und zusätzliche Fassadenbeleuchtungen sind schlichtweg überflüssig.