Dem Internet geht ein Licht auf
Top Story

Dem Internet geht ein Licht auf

Multitasking für elektromagnetische Wellen.

Wo viele Menschen gleichzeitig auf das Internet und auf das WLAN zugreifen, entstehen zwangsläufig Engpässe. Die Kapazitäten der Funknetze kommen an ihre Grenzen und meine Nachbarn um mich herum kenne ich vor allem durch die Wi-Fi-Liste auf meinen Devices. Stahlbetonwände senken dabei Kommunikation und Datendurchsatz. Zudem sind die Netzwerke oft unverschlüsselt, ein Großteil des Datenverkehrs ist leicht zu hacken und kann mitgelesen werden. Wissenschaftler forschen an einem Standard für die Datenübertragung, der all diese Probleme lösen soll: Visible Light Communication oder Light Fidelity, kurz Li-Fi. Außerdem gibt es – wie sollte es anders sein – viele vollkommen unterschiedliche Formen der optischen Datenübertragung. Einer Forschergruppe der Universität Oxford gelang es sogar, Daten mit einer Geschwindigkeit von 224 Gbit/s über Licht zu übertragen. Dabei bündelten sie sechs verschiedene Wellen.

Schon seit über einem Jahrzehnt forschen diverse Einrichtungen, darunter das deutsche Fraunhofer- Institut für photonische Mikrosysteme (IPMS), an dem zukünftigen Ratenübertragungsstandard, der das herkömmliche elektromagnetisch funktionierende Wi-Fi ablösen soll. Bereits im Oktober 2011 wurde ein Konsortium aus vier Einrichtungen zur Festlegung eines Standards gebildet. Forscher arbeiten inzwischen an einer industriellen Lösung auf Basis der Technologie. Dabei wurde mittlerweile eine Übertragungsgeschwindigkeit von 12,5 Gbit/s erreicht. Das britische Unternehmen pureLiFi, an dem der deutsche Informatiker und Li-Fi-Pionier Prof. Harald Haas beteiligt ist, hat 2016 LiFi-X vorgestellt, das weltweit erste serienreife System zur Datenübertragung per Li-Fi. Auch Konsortien aus Kanada und Frankreich kooperieren im Wettlauf um einen neuen Massenmarkt.

Statt einer Antenne eines Funkrouters wird dabei die LED genutzt, die ohnehin zur Beleuchtung verwendet wird. Das emittierte Licht ist das Übertragungsmedium für die Daten. Diese können mit einer sehr hohen Frequenz ihre Intensität verringern und der am Endgerät angebrachten Fotozelle, dem Empfänger, Signale übermitteln. Für das menschliche Auge ist dieser Vorgang aufgrund der hohen Schaltungsfrequenz unsichtbar. Durch den permanenten Wechsel der beiden Intensitätszustände des Transmitters können binäre Daten übertragen werden. Doch auch hier steckt mehr dahinter, als man annimmt: Daten müssen zuvor beispielsweise auf verschiedene Träger aufgeteilt werden. Soweit so gut!

Funktioniert Li-Fi
 auch bei Dunkelheit? 


Für den Rückkanal ist energiesparendes Infrarot vorgesehen. Dieses kann der Anwender nicht wahrnehmen. Interferenzen können gezielt vermieden werden. Diese entstehen, wenn zwei elektromagnetische Wellen mit ähnlicher oder gleicher Frequenz unter gewissen Umständen aufeinandertreffen.

Damit das System korrekt funktionieren kann, muss die Sende-LED die ganze Zeit aktiv bleiben. Selbst in der Nacht funktioniert Li-Fi: Die Lichtquellen werden dafür soweit heruntergedimmt, dass sie für den Nutzer nicht mehr als Lichtquelle wahrnehmbar sind.

Das nutzbare
 Funkspektrum vergrößert sich

Technisch gesehen ist das für den Menschen sichtbare Licht ebenso wie Funkwellen eine elektromagnetische Welle. Die Frequenz im Terahertz-Bereich ist allerdings deutlich höher als die, bei den im GHz-Bereich verwendeten, Zentimeterwellen. Der Nachteil: Nanometerwellen wie Licht können dichte Materie nicht durchdringen, jedes Hindernis schränkt die Reichweite ein. Doch dieses kann zugleich auch als Vorteil ausgelegt werden: Da Lichtwellen bereits am Durchdringen kleiner Hindernisse scheitern, ist eine Abschottung des Netzwerks durch eine einfache räumliche Trennung möglich. Für Unternehmen kann das aus Datenschutzgründen von Vorteil sein. Bei geschlossenem Raum kann der interne Datenverkehr nicht mitgelesen werden. Es ist jedoch weiterhin möglich, Datenpakete durch optische Umleitungen abzufangen.

Noch ein weiterer Vorteil: Es steht ein größeres Spektrum zur Verfügung als bei Funkwellen. Dadurch können beim einzelnen Nutzer höhere Übertragungsgeschwindigkeiten erzielt und ein störungsfreier Betrieb gewährleistet werden. Das Spektrum des sichtbaren Lichts ist zudem unlizenziert und für jeden frei nutzbar.

Das Deckenlicht
 wird umgerüstet


Und noch mehr spricht für die Technik: Damit sie funktioniert, muss bestehende Infrastruktur nur geringfügig umgerüstet werden. In die Lichtquelle wird ein Encoder integriert. Das zu versorgende Gerät benötigt einen Empfänger, um die Lichtwellen einzufangen. Die Stromversorgung erfolgt über das bestehende Stromnetz. Die Technologie hat einen minimal höheren Energiebedarf als die Lampe selbst.

Die Kommunikation von einem zentralen Internet-Anbindungspunkt für das Netzwerk zur Diode in dem Transmitter kann ebenfalls über ein bestehendes System hergestellt werden: das Stromnetz. Das LED- Sendesystem, also die Lichtquelle, bezieht die Signale direkt über das Stromnetz. Es wird lediglich geringe zusätzliche Energie benötigt, um das Signal im Encoder umzuwandeln.

Es bleiben
 aktuell ungelöste Probleme


Die Technologie im Allgemeinen wirft aber auch noch Probleme auf. Es muss zwingend eine Sichtverbindung zwischen Sender und Empfänger bestehen. Selbst kleinere Störungen machen die Verbindung unbrauchbar und lassen die gesamte Kommunikation zusammenbrechen. Weil die Technik keine Wände durchdringen kann, muss in jedem Raum entsprechende Technik zur Datenübertragung installiert und ein synchroner Wechsel zwischen den verschiedenen Kanälen garantiert werden, wenn der Nutzer den Raum wechselt. Auch mobil ist die Technik nicht: Bewegt der Nutzer das Endgerät in eine Richtung, die den Sensor von der Lampe abwendet, bricht die Verbindung ab. In einigen Fällen reicht es zwar aus, wenn kein Sichtkontakt besteht, allerdings sinkt hier die Performance ins Unbrauchbare. Um das Problem zu lösen, sind serienreife Rundumzellen nötig.

Zudem ist Licht bei hohen Übertragungsraten enorm anfällig für Störungen der Erdatmosphäre, etwa wenn Lichtstrahlen durch Gase oder Mikropartikel abgelenkt werden.

Je länger die vom Licht zu überwindende Distanz ist, desto mehr Strahlen werden absorbiert oder gebrochen. Das schränkt die Stabilität und somit die Geschwindigkeit weiter ein. Auch berücksichtigt werden müssen potenziell auftretende Reflexionen des Lichts wie bei Spiegeln im Raum. Ist das Intervall zwischen zwei Signalübermittlungen größer als die durch die Reflexion auftretende Verzögerung, kann keine saubere Übertragung mehr erfolgen.

Li-Fi kann Wi-Fi nicht in jedem Anwendungsszenario ersetzen. Bei Assistenzsystemen im Auto etwa könnte es gefährlich werden; ein kleines Hindernis oder eine Verschmutzung der Fotozelle würden die Kommunikation teilweise oder komplett abbrechen lassen.

Solarzellen empfangen Daten

Li-Fi-Pionier Prof. Harald Haas, der 2011 ein Konzept zur Datenübertragung per Li-Fi vorgestellt hat, hat mit seinem Unternehmen pureLiFi auf dem Mobile World Congress (MWC) 2016 in Barcelona erstmals ein funktionierendes Sende- und Empfangssystem präsentiert. Das LiFi-X genannte Modul ermöglicht eine Datenübertragung von synchron 40 Mbit/s im Up- und Download.

Für längere Kommunikationsstrecken könnten Laserstrahlen
zum Einsatz kommen. Dies würde Milliarden Menschen einen kostengünstigen Zugang zum Internet ermöglichen, indem beispielsweise an lokal höher gelegenen Orten eine

Basisstation für die optische Übertragung installiert wird. Weiterhin können Solarzellen sowohl aus Sonnenstrahlen als auch Laserstrahlen elektrischen Strom produzieren.

Die Technik 
funktioniert auch bei Nebel


Auch für die Nutzung im Fahrzeug könnte diese neue Technik Li-Fi interessant machen: Im Straßenverkehr können mit Solarzellen ausgestattete Autos Daten empfangen. Sie würden eigenständig mit anderen Objekten kommunizieren und interagieren. Haas hat keine Bedenken, dass die Technik bei Nebel oder ähnlichen Wettereinflüssen nicht funktionieren könne. Es dringe immer noch genügend Licht hindurch, an dem die Solarzelle die Modulation des Lichts erkennen könne. Das Risiko ist allerdings sehr hoch und Skepsis ist der erste Prüfschritt.

Wie geht es weiter?

Wird Li-Fi in absehbarer Zeit Wi-Fi ersetzen können? Vermutlich nicht. Zwar kann die Technik etwa für Produktionsorte oder Industrieanlagen attraktiv sein. Der Nutzen für den Endkunden hält sich aber bislang in Grenzen. Noch gibt es zu viele Schwierigkeiten. Im Praxisbetrieb außerhalb von fest montierten Industrieanlagen ist zurzeit kein Geschwindigkeitsvorteil vorhanden. Das größere Spektrum wiegt die Nachteile der geringen Reichweite nicht auf, die Störanfälligkeit ist zu hoch. Für die nahe Zukunft bezweifeln die Experten einen marktreifen Standard für den Massenmarkt.

Dennoch: Für die Nutzung in stationären Systemen ist Li-Fi vielversprechend. Das Konzept von Haas, Li-Fi im Zusammenhang mit Solarzellen über Distanzen von wenigen Kilometern zu nutzen, ergibt durchaus Sinn.

Wie passt Li-Fi
 mit Lichtdesign zusammen?

Wenn es um gestaltete, im Raum integrierte Anwendungen geht, erscheint Li-Fi zunächst als Einschränkung und weiteren Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt. Indirektes Licht macht den Planer unsicher, wenn es darum geht, die Netzwerkstabilität zu garantieren. Darüber hinaus sind Netzwerke nicht die erste Planungsaufgabe
des Lichtdesigners. Es gilt sich zu koordinieren. Büroanwendungen erscheinen deshalb zunächst sinnvoller zu sein. Doch stehen wir aktuell vor der Situation, dass Büros als Ort der Kreativität einem Wandel unterliegen.