Licht, Natur und menschliche Interaktion
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Licht und Natur – ein wertvolles Element für Menschen

Die Sonne der unbegrenzten Möglichkeiten geht auf.

Die Sonne geht auf – ich sehe in dieser neuen Möglichkeit einen Hoffnungsstrahl für das Lichtdesign. Als Lichtdesigner sind wir in der einmaligen Lage, den Weg nach vorne zu leiten, Glaubwürdigkeit zu schaffen und Forschungsergebnisse zu liefern, welche Nutzen für die Gesundheit ermitteln. Seit den achtziger Jahren untersucht eine kleine Gruppe engagierter Fachpersonen Gesundheitsfragen und wie die Natur mit den menschlichen Bedürfnissen zusammenhängt – heute nutzen wir den Begriff "Biophilia". Langsam beginnt die Wissenschaft, sich mit dieser Tatsache abzufinden.

Dieser Artikel soll einen Einblick in die Biophilie geben und Aufschlüsse zur Frage der Relevanz bieten. Die beschriebenen Verwendungen gelten nicht nur für meinen Arbeitsbereich, sondern sind interessant für alle. Jeder wird durch diesen Erkenntnisgewinn bereichert. Es ist egal, ob man im Innen- oder Außenraum arbeitet. Am Wichtigsten ist der Gedanke, dass das gestaltete Licht in einem Raum eine Auswirkung auf die Gemütsverfassung des Menschen hat.

Die Natur sorgt für großartige Erlebnisse, von denen wir lernen können. Unsere Sehkraft ist ein wahrer Segen. Sie ermöglicht uns, die subtilen Unterschiede im Licht
in den natürlichen Landschaften zu verstehen. Es gibt keine bessere Lehrerin als die Sonne und die Natur. Wo können wir sonst dieses Wissen oder diese Erfahrung so effektiv erlangen? Wir sehen nicht nur; wir erleben das, was wir optisch wahrnehmen. Das ist ein großes Geschenk fürs Leben – die Fähigkeit, Emotionen zu verstehen. Gefühle vergessen wir nie und gerade dieses können wir zu Nutze machen. Dadurch, dass wir unvergessliche Erlebnisse bieten, erhält unsere Arbeit an Relevanz, Rechtfertigung und Wert.

Licht ist ein einflussreiches Medium, das uns emotional bindet. Es liefert natürliche, positive Wirkungen – Wärme, Komfort, Sicherheit und Energie. Unsere Relevanz liegt darin, wie und warum wir einen Raum beleuchten. Und hier können wir glänzen.

Licht zur therapeutischen Unterstützung


Leider hat die Wissenschaftsgemeinschaft noch keine überwiegenden Forschungsergebnissen über die therapeutischen Aspekte von Licht und Natur liefern können. Wie bereits erwähnt: Dies ist eine spannende Chance für uns alle. Ich kann mir wunderbare Möglichkeiten für Krankenhäuser, Wellnesszentren, Arbeitsumfelder, öffentliche Parkanlagen, private Wohnräume und dergleichen vorstellen, da wir alle Entspannung und Erholung vom Alltagsstress benötigen. Und wir sind aufgefordert, die Voraussetzungen zu schaffen, welche diesen zusätzlichen Komfort sowie Heilungsprozesse unterstützen.

Wenn wir die dunklen Stunden des Tages und unsere nächtlichen Umgebungen in Betracht ziehen, können diese auch wohltuende Lichtanwendungen erhalten, die eventuelle negative Gefühle entgegenwirken können. Stellen Sie sich vor, Sie sind Krankenpfleger und tagtäglich mit Schmerzen, Krankheit und Tod konfrontiert – das ist selbstverständlich sehr belastend für die eigene Lebenseinstellung, psychische Gesundheit oder Verfassung. Macht es nicht Sinn, sich regelmäßig kurz Zeit zu nehmen und in anderen angenehmeren und ruhigeren Umgebungen aufzuhalten. Zugegeben: Nicht alle arbeiten unter solchen Bedingungen, aber viele von uns erleben Stress in Form von Meetings, Deadlines und Bauherrenwünschen und werden ähnlich psychisch und physisch belastet.

Aus der Perspektive der mensch-orientierten Lichtplanung verbringen wir durchschnittlich 90 Prozent unserer Zeit in Innenräumen. 87 Prozent unserer sensorischen Informationen nehmen wir über das Auge auf.
50 Prozent der Gehirntätigkeit von Menschen ist für das Sehen verantwortlich. Solche Werte zeigen, dass unsere visuelle Wahrnehmung grundsätzlich bestimmt, wie wir leben und funktionieren. Wenn das der Fall ist, kann man davon ausgehen, dass visuelle Reize eine Auswirkung auf unsere Gesundheit haben können. Licht beeinflusst uns in zweierlei Hinsicht: visuell (Sehleistung und Seherlebnis), und nicht-visuell (endokrines System und zirkadianer Rhythmus).

Schlecht gestaltetes Licht oder sogar ungeeignete Lichtverhältnisse, auch tageslichtbedingt, zu unterschiedlichen Tageszeiten wurden oft als Grund für Gesundheitsprobleme genannt. Diese sind: Stress, Gedächtnis- und Konzentrationsschwäche, Wachsamkeit, Essstörungen, Immunschwäche, Drogenmissbrauch, Herz-Kreislauf- Erkrankungen, Hyperaktivität, Depression und Schlafmangel. Einige dieser Gesundheitsstörungen können ebenso die Folgen von  zu viel Licht in der Nacht sein: Computer, Smartphones sowie mangelhafte Innenraumbeleuchtung. Zudem können Farbe und farbiges Licht tiefgreifende Auswirkungen auf die körperliche, seelische und geistige Gesundheit der Menschen haben.

Relevante Beiträge

Oft frage ich mich, wann oder von wem die Schönheit des Lichts in der Natur zuerst Thema war. Waren es Adam und Eva im Garten Eden? War es ein Neandertaler oder Denisova- Mensch, der die Beleuchtung der Natur durch das Licht eines offenen Feuers betrachtete? In den letzten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts, fingen einzelne Personen an, sich für Licht und Natur zu interessieren. Es gab einige Schlüsselfiguren, die zu dieser Entwicklung beigetragen haben.

Landschaftslichtdesigner Frank B. Nightingale (1885-1965) entwickelte als erster die Kunst der Landschaftsbeleuchtung als Fachdisziplin. Er veröffentlichte zwei Bücher zu diesem Thema: "Garden Lighting" (1958) und "Light as an Art" (1962), und da er auch Zauberer war: "Magic for Magicians" (1964). Er war auch der erste, der sich mit der Zusammenführung von Natur und Beleuchtung befasste, mit dem Ziel Außenumgebungen bewusst zu gestalten. Zudem entwickelte er mehrere Leuchten, welche Pflanzen nachahmten und spezifisch dazu entworfen wurden, um sich dem natürlichen Umfeld anzupassen. Frank B. Nightingale war dafür bekannt, Führungen zum Thema Licht als Kunst durch landschaftlich gestaltete Bereiche anzubieten, wobei er Musik in die von ihm choreographierten Lichtszenen integrierte. Es wurde zeitlich festgelegt, wann die Beleuchtung im Laufe der Führung an und ausgeschaltet wurde.

Folgende Personen sind führend, wenn es um ein Verständnis für die gesundheitlichen Vorteile der Natur für den Menschen geht.

  •  Dr. Robert S. Ulrich – Direktor des Center for Health Systems and Design an der Texas A&M University, Fachbereich Architecture und Center for Healthcare Architecture an der TU Chalmers in Schweden – ist der international am meisten zitierte Forscher im Bereich evidenzbasiertes Design für das Gesundheitswesen. Veröffentliche Werke: "View Through a Window" (1984) und "Natural vs. Urban Scenes" (1981). 
  • Rachel und Stephen Kaplan sind Professoren für Psychologie an der University of Michigan, mit dem Spezialgebiet Umweltpsychologie. Die Kaplans sind für ihre Forschungsergebnisse über die Wirkung der Natur auf menschliche Beziehungen und Gesundheit. Veröffentliche Werke: "The Experience of Nature" (1989), "With People in Mind" (1998); "Restorative Environments" (1988).

In seinem Buch "Biophilia" (1986) beschreibt Edward Osborne Wilson (E. O. Wilson) – emeritierter Universitäts-Forschungsprofessor an der Universität Harvard – seine Theorie der gesundheitlichen Vorteile der Natur für den Menschen.

  •  Edwin D. Babbitt (1828-1905) spielte eine Pionierrolle im Bereich der Chromotherapie, der therapeutischen Anwendung von farbigem Licht, die er in seinem Buch "Principles of Light and Color" (1878) beschreibt.
  • Clare Cooper-Marcus – Professorin für Architektur & Landschaftsarchitektur an der University of California, Berkeley – und Marni Barnes – Psychotherapeutin und Landschaftsarchitektin an der Academy of Art University, San Francisco – veröffentlichten gemeinsam das Buch "Healing Gardens" (1999), in dem sie beschreiben, wie Gartenanlagen sowohl seelisch als auch körperlich heilen können.
  • Dr. Maja Petric hat sich darauf spezialisiert, wie der Mensch Räume kognitiv und emotional erlebt. In diesem Bereich ist sie weltweit Vorreiterin. Der Schwerpunkt ihrer Forschung liegt auf den komplementären Potenzialen von Licht und Kunst, ein umwandelndes menschliches Erlebnis zu erschaffen. Veröffentliche Werke: "Light, Art and Biophilia" (2016) and "The History of Light in Art" (2017).

Persönliche Erfahrung

Seit 1999 beschäftige ich mich mit der Landschaftslichtplanung. Ich habe viel gelernt und hatte die Möglichkeit, an einzigartigen Projekten zu arbeiten. Mithilfe des vorhandenen Pflanzenmaterials, bestehender Strukturen und Gartenkunst habe ich durch Licht emotionale Räume geschaffen. Mir ist es sehr wichtig, eine positive Wirkung auf die menschliche Psyche zu erlangen. Jede Gartenanlage, die ich gestalte, hat das Ziel, eine Botschaft zu übermitteln: Der Betrachter soll sich auf ein Erlebnis einlassen und Inspiration, Faszination, Verzauberung oder Ehrfurcht – oder Ruhe, Zurückgezogenheit, Gelassenheit oder Erholung – spüren.

Obwohl die meisten Kunden Atmosphären bevorzugen, die Freude und Glück fördern, entscheiden sich einige für eher mysteriöse, spannende oder beängstigende Stimmungen. Darin liegt der Vorteil, Lichtdesigner zu sein: Wir sind in der Lage, das Licht so einzusetzen, dass der erwünschte Effekt erzielt wird. Es tut unheimlich gut, zu wissen, dass ein Kunde meine Arbeit wirklich schätzt. Ein Kunde hat berichtet, wie erholsam es sei, nach der Arbeit auf seinem Balkon zu sitzen und in seinen ruhigen Garten zu schauen: "Alleine zu beobachten, wie das Licht durch die Blätter meiner Zitterpappeln einfällt, ... lässt mich aufatmen". Und er fährt fort: "Ich finde Ruhe und Frieden, wenn ich die grasenden Rehe auf meiner Wiese betrachte". Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und stellen Sie sich vor, wie es sich anfühlt, solche Szenen vor Augen zu haben.

Eine Kundin fing an zu weinen, als sie ihren beleuchteten Garten zum ersten Mal sah. Für mich war das sehr bewegend. Glücklicherweise passiert das am Anfang meines Berufslebens. So wurde ich motiviert, mich noch leidenschaftlicher für meinen Beruf einzusetzen.

Diese Beispiele zeigen, dass etwas Tiefgehendes im Gange ist, wenn wir Licht und Natur mit der menschlichen Interaktion zusammenbringen. Ich habe beobachtet, wie einfach es ist, diesen Beruf als bloße technische Abwicklung zu betrachten. Es geht alles um einen Prozess. Kein Mittel zum Zweck, sondern ein Mittel zur Gewinnung des Auftrags ... zur Realisierung der Installation ... dann ab zum nächsten Projekt. Wir sollten uns immer fragen "Warum?". Warum erbringen wir überhaupt die von uns definierten Dienstleistungen? Geht es nicht darum, unser Leben "besser" zu machen? Hat es mit Wohlbefinden und psychologischer Auswirkung zu tun? Wir müssen uns innerhalb der Lichtdesign-Community auf eine kohärente Strategie mit einer gemeinsamen Botschaft und einem Hauptziel einigen, um die Frage nach unserer ultimativen Bestimmung aufzuwerfen.