Schwimmbad Bagneux
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Wasser marsch

Ein Hallenbad mal anders geflutet …

"Piscine de Bagneux" steht mitten im Ort. Eingefasst von noch farblosen Wohnblocks, gesellt sich das von typisch-hellgrauem Beton ummantelte Gebäude perfekt dazu. Erst beim zweiten Blick fallen die Linien, Formen, vielen Fenster und vor allem das gesamte Interieur auf. Die Fenster sind es, die das besondere und komplett neu gestaltete Innere des Familienbads – neben dem Wasser – mit natürlichem Tageslicht fluten. Und was sich dort seit der Sanierung und Erweiterung insgesamt bietet, ist ein klarer Kontrast zur "Oberfläche".

Denn anders als in der unerforschten Tiefsee dringen hier genügend Sonnenstrahlen bis zum Boden und der Grund ist deshalb nicht duster und lebensfeindlich, sondern hell und erfüllt. Also wie die Unterschiede zwischen dunkler Tief- und heller Südsee wirken die architektonischen Eigenschaften des Gebäudeäußeren zum -inneren: Den grauen Fassadenflächen stehen die kleinen weißen Mosaikfliesen gegenüber. Dunkelfarben werden durch wechselhaftes, taghelles Licht, Wasserreflektionen und Blautöne ausgeglichen. Die fortlaufenden Linien werden durch Kurven und Formen aufgebrochen. Rundungen ersetzen rechte Winkel und auf Geraden folgen Schrägen.

Das Erscheinungsbild der in die Jahre gekommenen öffentlichen Badeanstalt sollte grundlegend verändert werden. Deshalb beauftragte die Städtegemeinschaft Süd-Seine die französischen Architekten Dominique Coulon et associés. Ihr Ansatz war es, die ursprünglich betonharte Architektur, die auch aus Kosten- und Zeitgründen damals so umgesetzt wurde, als Grundlage zu nehmen. Das langgestreckte Gebäude mit zwei Schwimmbecken wurde kernsaniert und mit einer neuen Hülle sowie einer riesigen, Richtung Süden ausgerichteten Glasfassade versehen, vor der wiederum ein Betonbogen wie ein durchlässiger Sonnenschutz steht. Ebenfalls südlich ist schließlich der Anbau angesetzt worden, der dank seiner Ausrichtung und weiteren Fensterflächen hell von Tageslicht ist.

Doch nicht allein die Tatsache des lichtdurchfluteten und in sich kontrastierenden Baukörpers macht die Sanierung so besonders. Um die örtliche Härte aufzubrechen und beim Betreten hinter sich zu lassen, haben sich die Architekten weiterer Mittel bedient. Im erdgeschossigen Eingangsbereich des Anbaus weckt weißes Licht, das auf Blaufarben scheint, die Lust auf das kühle Nass. Licht und Farbe ergänzen sich und wecken sofort eine maritime Atmosphäre. Den Dusch- und Toilettenbereich prägen zunächst noch dunkle Fliesen und etwas künstliches Licht von oben. In diese wassergeflutete noch abgelegene Höhle dringt zwar Tageslicht, aber nur wenig. Erst wenn der Besucher von dort "weiter rausschwimmt", eröffnet ihm sich "das Meer unter freiem Himmel". Dieses Gefühl entsteht beim Betreten der Schwimmhalle. Die Becken im alten Gebäudeteil stehen durch die verglaste Fassade im Sonnenlicht, das klare Wasser und die weißen Wände nehmen es auf, lassen es im Innern hell werden. Weich und im Rhythmus der wandernden Sonne läuft das Licht gen Norden aus und lässt das nasse Element in verschiedenen, dunkler werdenden Blautönen leuchten. Kaum besser platziert und gestaltet könnte die angrenzende Tribüne sein: Tiefblau gestrichen nimmt sie den Farbverlauf auf. Der Übergang wird dabei nur kurz vom weißen Innenraum und einer Promenade durchtrennt. Dann folgt der eigentliche Tribünenraum, der wie eine dämmrige und in Fels gehauene Grotte wirkt. Ihr gegenüber liegt im Kontrast dazu die großzügige Sonnenterrasse mit Holzboden, die als Strand wahrgenommen wird. Die Sonnenstrahlen treffen auf die stehenden Bögen und das umlaufende Betonband verschattet die Fläche zusätzlich etwas.

An den "Strand" grenzt der im Neubau untergebrachte Kinderbereich. Eine reinweiße Gestaltung unterstützt das Tageslicht, das durch die großen Fenster scheint. Runde, organische Formen dämmen nicht nur die Geräuschkulisse, sondern geben im Zusammenspiel auch das Gefühl, sicher in einem weichen Kokon aufgehoben zu sein. Im Boden des Beckens befindet sich ein "Bullauge". Das wellenschlagende Wasser und die Bewegungen der Kinder verändern ständig das hindurchscheinende Licht für die Etage darunter.

Im Erdgeschoss des Neubaus ist der Wellnessbereich untergebracht. Hohe Decken werden von geschwungenen Wänden, Rundungen und Kurvenformen gehalten. Viel Weiß sorgt für die nötige Ruhe und Klarheit, um zu entspannen. Gläserne Durchgänge verbinden Räume und leiten sowohl Natur- als auch Kunstlicht weiter durch den gesamten Bereich. Farbliche Beleuchtung oder der Blick in einen grünen Garten erzeugen schließlich in letzter Konsequenz die passende Stimmung. Das eingesetzte Farblicht lässt Relaxliegen und ihre Anwender schweben, indem es sie von unten beleuchtet; es schimmert leicht um Kurven in der Decke, um durch geschlossene Augen wahrgenommen zu werden, oder berührt entspannt den heißen Wasserdampf in den Saunen.

Bei der Neugestaltung von "Piscine de Bagneux" spielte das Licht in allen Bereichen eine tragende Rolle. Es ermöglicht und ergänzt sämtliche architektonische Maßnahmen. Zusätzlich ist es das realisierte Zusammenspiel von Gegensätzen wie alten Strukturen und Materialien zu neuen Formen und Farben. Im Pariser Vorort Bagneux ist es gelungen, die damals geschaffene und heute trist wirkende sowie an Bedeutung und Stimmung verlorene Substanz so zu verändern, dass sie zwar oberflächlich ihren rauen Wurzeln treu bleibt, aber innerlich wieder Leben und Emotionen schenkt – bereit, maßgeblich dazu beizutragen, die Gemeinde zu einem hippen Vorort zu machen. Wie vor rund 60 Jahren, als Bagneux während des industriellen Wiederaufbaus erneut einen großen Aufschwung erlebte.

Auftraggeber: Communauté d’agglomération Sud de Seine
Architekten: Dominique Coulon et associés – Dominique Coulon und Benjamin Rocchi + Team Arnaud Eloudyi, Sarah Brebbia, Gautier Duthoit.