Fun Factory in München
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Sinnliche Reflexionen

Von unsichtbaren und sichtbaren Bänden.

Das Einkaufen dort ist von vornherein ein besonderes und sinnliches Erlebnis. Die neueste Niederlassung einer der größten europäischen Hersteller für ästhetische und stylische Liebesspielzeuge ist zentralgelegen in der Münchener Innenstadt. Das schmalgeschnittene Ladenlokal stellte schwierige Anforderungen an das Design. Und damit an die Gestaltung, die Technik und den Einsatz der Innenraumbeleuchtung. Erst recht, wenn schließlich auch die Produkte nicht alltäglich sind. Auf zwei Etagen sind diese erstgenannten sowie Dessous, Lingerie oder Körperpflege dezent ausgestellt. Kein Regal ist überladen, keine Grundfarbe zu schrill und keine Schaufensterpuppe zu sehr angekleidet. Es geht um pure Lebensfreude, sexuelle, erotische Leidenschaft und Eleganz – stilvoll dargestellt.

Grundsätzlich ist nur moderne LED-Lichttechnik verwendet worden. Dafür gibt es mehrere wesentliche Beleuchtungsbereiche: die Regale sowie Tresen mit den Produkten, Boden und Decke sowie die Schaufenster samt Modepuppen im Erdgeschoss. Um die Artikel ästhetisch in Szene zu setzen, werden die Regale an den Seitenwänden im mittleren Drittel von kardanisch schwenkbaren Deckeneinbauleuchten illuminiert. Die Bereiche darunter und darüber werden von Lichtstreifen, die eingelassen entlang der geschwungenen Regalfronten verlaufen, angestrahlt. Diese Lichtbänder finden überall im Raum Verwendung und erfüllen zwei Zwecke: sie ermöglichen eine effektivere, gezieltere Beleuchtung und sind durch ihre Flexibilität dekorativ sehr gut einsetzbar. Die Ausstellflächen erhalten auf diese Art mehr Tiefe.

Das Band wird wie eingangs erwähnt verschiedenartig zum Designelement dieser Boutique. Denn auch in den Boden sind kurvige oder kreisende Lichtbahnen installiert. Diese Bände laufen mal nebeneinander, mal trennen sie sich, entfernen sich voneinander, um wieder zueinander zu finden und umlaufen bestehende Formen oder Ladenelemente. Gleichzeitig ahmen die organischen Formen dieser Lichtbahnen die der Liebesspiel- zeuge nach. Und auch die Tresen in der Ladenmitte greifen dieses Formenspiel auf. Sie sind zudem im Innern mit LED-Lichttechnik ausgestattet, leuchten also durch die aufliegenden Platten sowie unter den Sockeln her- vor, wodurch eine sinnliche Atmosphäre geweckt wird und was der Raummitte und -gestaltung gut tut.

Lichtbänder sind auch für die weiß-goldenen Schaufenster verwendet worden. Die Planer haben dabei mit zwei unterschiedlichen Lichtfarben gearbeitet. Die Bänder, die von innen etwas versteckt in den Rahmen integriert sind, leuchten warmweiß (2700 Kelvin) und neutralweiß (4000 Kelvin). In den Abendstunden wird durch einen dynamischen Wechsel der Lichtfarbe ein Bewegungseffekt generiert.

Als größter Hingucker der Fun Factory in München stellen sich aber weniger die leidenschaftlichen Produkte und erotischen Accessoires, sondern mehr die vielen reflektierenden Flächen in der Boutique dar. Ob gewollt oder nicht: in einer glänzend pechschwarzen Decke im Obergeschoss reflektieren sich die hellen Lichtbahnen, die beispielsweise eine naheliegende Regalfront umlaufen. Ein ähnliches Lichtspiel zeigt sich in den spiegelnden Goldflächen, die überall zu finden sind, oder in den Tischen mit hochpolierten Sockelseiten.

Raumwände in blankem Schwarz, aber auch hellem und glattem Silber im Erdgeschoss, reflektieren die Lichtbahnen des Fußbodens ebenso oder suchen sich andere umliegende Lichtquellen, um sie aufzunehmen und in den Raum wiederzugeben. Zum Glück sind diese Reflexionen nicht hart, sondern eher weich und gefühlsbetonend.

Die gesamte Beleuchtung in der Fun Factory ist DALI-gesteuert. Dieses sehr flexible System wird in der Gebäudeautomatisierung für die Lichtsteuerung auf Raumebene eingesetzt. Für die moderne Boutique mit ihrem Lichtsystem stellt dies also eine ideale Lösung dar. Über ein computergesteuertes Installationsbussystem werden unterschiedliche Lichtgruppen inszeniert, die auch automatisch in Tages- und Nachtmodi wechseln.

Ob Liebesspielzeuge und ähnliche Artikel von den einen nun weiter tabuisiert beziehungsweise schlicht nicht genutzt werden oder von anderen längst anerkennend Nutzen im Privatleben gefunden haben, bleibt eine individuelle Erkundung. In jedem Falle leistet das Ladenkonzept der Fun Factory verschiedenartig einen stilvollen Beitrag, derartige Produkte und die erotisch-sexuelle Thematik drum herum etwas zu enttabuisieren. Das würde ohne ein solches ästhetisches und raffiniertes Lichtdesign nicht so gut funktionieren, sondern wäre zu plump und plakativ.

Licht und Formen gehen Hand in Hand, unsichtbare sinnliche sowie sichtbare materielle Bände sind einfallsreiches und doppeldeutiges Stilmittel und viele weichreflektierende Flächen an Boden, Decke oder Wand geben besonderes Licht in den kleinen, schmalen Raum.

Die eingesetzten Farben wie Schwarz, Weiß, Gold oder Silber kontrastieren zwar, doch werden vom Licht, der Lichtfarbe und den Lichtbänden in Einklang gebracht. Licht als Öffnung und Bindeglied.

 

Projektbeteiligte:

Innenraumgestaltung: Karim Rashid

Lichtdesign: Lichtwerft Nord – Oliver Waldleben