Denim R&D Centre
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Abhängen als Konzept

So schön kann Morbidität sein – das Denim R&D Center in Istanbul/TR.

Was kann es schon heißen, wenn in der Mode von R&D – Research & Development – gesprochen wird? Hose ist Hose und Technik ist Technik. Entscheidend aber ist, dass ein hochwertiges Produkt nicht nur gut aussehen muss, sondern auch gut verarbeitet ist. Dies wirft wohl so viele offene Fragen auf, dass ein R&D-Zentrum eingerichtet werden musste, um eben all das zu klären...

Eine Hose aus Denim als hochwertiges Designprodukt zu vermarkten, scheint vielen heute normal. Doch wurden Jeanshosen ursprünglich als Arbeitsklamotten entwickelt, ein Produkt für Holzfäller, Bergarbeiter, Cowboys. Mode ist mittlerweile so ausgeklügelt, dass ausgefranste Löcher zum Teil des guten Geschmacks werden können. Was also früher ein Makel war, wird heute zum Hingucker. Das ist Marketing. Selbst die Löcher im Schweizer Käse werden so zu einen Wertfaktor.

Produktqualität kann nicht ausschließlich durch das Design überzeugen; es ist eine Philosophie der Lebensart, in der sich unsere Gesellschaft bewegt. Dies in einem Arbeitsumfeld einzubinden und gleichzeitig funktional zu sein, ist eine Herausforderung. Es ist schon besonders, dass man in einer R&D-Abteilung arbeiten kann, wenn an den Wänden Klamotten wie schnöde Jeans herumhängen. Doch genau das ist so in dem Projekt Denim in Istanbul.

Blaue Jeans vor grauen, morbid erscheinenden Wänden schaffen eben genau diesen erforderlichen Kontrast, der den architektonischen Stil definiert. Dieses herauszuarbeiten, zu verstärken und die szenische Qualität aufzuwerten, war ein lichtgestalterisches Schmankerl. Eine graue Wand kann nicht wirken, wenn der Raum diffus beleuchtet wird. Und so wurde durch eine einfache Hinterleuchtung die visuelle Spannung erzeugt, um aus etwas Schnödem etwas Einzigartiges zu machen. Als würde man aus einer kaputten Jeans ein Designkonzept machen.

Es ist die Kombination aus Materialien, Farben und Licht, die zum Erfolg des Designs führt. Und das Gute an diesem Konzept ist, dass es kaum einer komplexen Idee, Planung und Ausführung bedarf, um großartig zu wirken. Man kann auch sagen, das Design ist so gut, dass es mit wenigen Mitteln und einfachen Lösungen

 

auskommt. So scheint es. Aber es ist das Konzept des Kontrastes, welches zum Erfolg führt.

Der Raum ist konzipiert als R&D-Atelier im Firmenhauptsitz eines Textilunternehmens. Das Designkonzept beruht auf der physikalischen Beziehung zwischen den Nutzern des Raums (R&D-Personal) und den Produkten, Accessoires und Materialien. Es wurde festgestellt, dass Tätigkeiten wie Sitzen, Gehen, Arbeiten, Vergleichen der Modeartikel zur Einschränkung der Funktion des Raums als R&D-Abteilung führten. Es musste ein Raum gestaltet werden, der ein flexibles Arbeiten in Bewegung sowie den Zugang zum gesamten Raum ermöglichen würde. Statt reihenweise Schreibtische aufzustellen, welche Zugänglichkeit und nutzbaren Raum beschränken würden, war der Gedanke, eine Plattform zu schaffen, die eine kreative Arbeitsumgebung fördern würde.

Anstatt die Standorte von Arbeitsvorgängen festzulegen, bewegen sich die Mitarbeiter im ganzen Raum, um alleine oder mit bestimmten Kollegen die Jeansstoffe sowie andere Textilien und Accessoires aus unterschiedlichen Entfernungen zu betrachten. Die Absicht war, die Möglichkeiten der Interaktionen der Nutzer miteinander sowie mit dem Raum zu steigern und zu variieren. Dieses wurde durch die Einführung unterschiedlicher Bodenniveaus erzielt, deren Kurvenformen das Konzept der fließenden, flexiblen Bewegungen unterstützt.
Die von den Architekten ausgewählte, kleine Werkstoffpalette zur Realisierung des Designs ist bewusst "schlicht und einfach". Dasselbe gilt für die Beleuchtungslösung: Außer vereinzelten, beinah unauffälligen, vertikalen Tageslichtöffnungen, wurde die künstliche Beleuchtung auf zwei Elemente reduziert: in die Kleiderstangen integrierte tageslichtweiße LED-Leuchten 
und Pendelleuchten bestückt mit linearen Leuchtstofflampen, die in strengen Reihen quer den Deckenaussparungen angeordnet sind.

Es ist wunderbar zu sehen, wie die Morbidität zum Design werden kann. Aber es ist eben alles möglich, wenn es nur richtig inszeniert ist.

Projektbeteiligte:

Auftraggeber: Bulur Textile

Architektur und Design: Zemberek
Design – Başak Emrence, Şafak Emrence, Ece Ilgın Avcı